Bannerbild | zur Startseite Bannerbild | zur Startseite
Link zur Seite versenden   Druckansicht öffnen
 

Armenhaus Stenz

Kontakt

 

„Unser Leben ist seit langem ein dreigefädelter Gesang
Hoffnung und Sehnsucht zirpsen zaghaft –
von der Erinnerung kommt der Klang...!"

 

Ein schlichtes aber bemerkenswertes Stück Heimatgeschichte soll heute ins Blickfeld gerückt werden.

 

Stenz vor fast 200 Jahren

In einer Charakteristik vom Jahr 1821, die der Kanzleidirektor Berger in Königsbrück aufgeschrieben hat, heißt es über die Landbewohner in unserer Gegend:

.."Sind die Unterthanen im allgemeinen ein gutes Volk! –

 

Sie sind zufrieden mit ihrem spärlichen Einkommen, treiben gute Wirtschaft, fügen sich in die Umstände, geben ihre Abgaben ohne Murren, behalten für sich nichts übrig als das liebe Leben und gehen fleißig in die Kirche, halten auch ihre Kinder zur Schule an, besonders im Winter, wo ihnen das Viehhüten nicht hindert..."

 

Können wir uns das überhaupt noch vorstellen?

 

Die Dorfstraße unbefestigt, die Häuser alle mit Stroh gedeckt. Nur 27 Familien, die als 7 Bauern, 4 Neugärtner, 6 Dreschergärtner und 10 Häusler lebten. Und überhaupt, im Dorf gab es nur das, was der Ort selbst hervorbrachte. Vielleicht außer dem Salz noch ein Stück Tuch oder Stoff, ein Topf oder andere wenige Dinge, die vom Markte ihren Weg auf's Land fanden – alles andere war ein Kreislauf.

 

Wechselwirkung Mensch-Natur, weitgehend ungebrochen. Und da unser liebes Stenz bekanntlich sandige Felder hat, kann man sich lebhaft vorstellen, wie karg und schwer das Leben des Landmannes war.

 

..."behalten für sich nichts übrig als das liebe Leben..." – er hätte es wohl nicht so geschrieben, wenn's nicht so gewesen wäre.

 

Der Dorfrichter war die Amtsperson im Ort – selbst aber ein Mann aus der Dorfgemeinschaft. Die 7 Bauerngüter, die es gab, waren alle etwa 12 ha groß.

 

Das achte Bauerngut war aufgeteilt, dort waren die 4 „Neugärtner" entstanden mit ihren heute noch überall nebeneinander liegenden schmalen Feldstreifen. Die 6 „Dreschergärtner" hießen deshalb so, weil sie im Hofedienst auf dem Glauschnitzer Rittergute, zu welchem Stenz gehörte, zum Dreschen verpflichtet waren. Und die 10 Häusler haben wohl immer am kärglichsten gelebt, weil zu ihrem Anwesen kaum Feld und Wiese gehörte.

 

Der Ausspruch: „Der säuft wie eine Häuslerkuh" zeugt bis heute noch davon, dass ein Häusler, wenn er schon eine Kuh hatte, dieser mehr zu saufen geben musste, weil er einfach zu wenig Futter hatte. Die Bewirtschaftung der Felder, Wiesen und Wälder erfolgte auf die einfachste Art.
Weitgehend war die Dreifelderwirtschaft noch üblich.

 

Ohne Kunstdünger mit wenig Mist und Jauche kann man sich, zumal in trockenen Jahren, die Erträge auf Stenzer Sand vor Augen führen. Dazu kam noch, dass alle Steuern und Abgaben in Naturalien erbracht werden mussten. Und wenn dann noch auf der Wirtschaft ein weitläufiger „Auszug" festgeschrieben war, den der Landwirt an seine Eltern zu erbringen hatte, dann konnte es wohl manchmal härter nicht sein. (In den Altakten der Grundbücher ist das für jedes alte Wohnhaus noch heute nachzulesen!).

 

In diese Zeit hinein fällt der Erwerb der Herrschaft Königsbrück – dann auch Glauschnitz – durch die Grafen von Hohenthal.

 

Es ist an vielen anderen Stellen schon über die fortschrittliche und wohltätige Gesinnung dieser Grafen geschrieben worden.

 

Besonders für die Landbevölkerung suchten die Grafen von Hohenthal Verbesserungen, in dem sie die Landwirtschaft im Allgemeinen und im Besonderen durch Einführung wirtschaftlicher Methoden verbesserten.

 

Gleichzeitig gab es aber auch in der ländlichen Bevölkerung kluge Köpfe, die unpraktische Wirtschaftsweisen hinterfragten und (wir würden heute sagen) Verbesserungsvorschläge machten. Da gab es in Stenz – abseits vom Dorfe – ein ziemlich nasses und großes Flurstück, dass zum Viehhüten genutzt wurde. Jeder Bauer, Gärtner und Häusler konnte dort nach festgesetzter Ordnung sein Vieh weiden.

 

Auf den Brachflächen und Wiesen die Kühe, Ziegen und Schafe, im Naturwald die Schweine. Das Hüten des Viehes war vorrangige Aufgabe der Kinder. Es ist vermutlich nicht möglich gewesen, auf dieser „Huttche" Heu zu machen, da ja ständig irgend jemand hüten durfte. Im Jahre 1805 gab es in Stenz den Gedanken, diese große Gemeindehuttche – das Moselbruch – aufzuteilen, trockenzulegen und jeder Wirtschaft ein Stück als Eigentum zuzusprechen.

 

Eine fabelhafte Idee, die bei Gärtnern und Häuslern wohl fast Begeisterung auslöste, der sich aber die 7 Bauern entgegenstellten. Der Ortsrichter – selbst nur Gärtner – verfasste ein Schreiben an den Graf und bittet ihn, doch die Bauern umzustimmen und sie vom Vorteil zu überzeugen! Der Graf hat es gemacht!

 

Eine Zeichnung wurde angefertigt, wie die Verteilung erfolgen sollte. Ein beispielloses Gemeinschaftswerk der Stenzer muss es gewesen sein, denn an hoher Stelle sah man sich gewogen, der armen Gemeinde für diese enorme Leistung eine Prämie in Höhe von 50 Thalern zukommen zu lassen!

 

Was 50 Thaler für die arme Dorfgemeinschaft bedeuteten, können wir wohl kaum verstehen. Nun kam eine spannungsreiche Zeit – was wird mit dem Gelde? Außer den 7 Bauern war wohl jedes Haus bedürftig.

 

Es vergingen Jahre – das Geld wurde durch den Standesherrn verwahrt und wuchs noch leicht an, durch eine kleine Verzinsung. Bekanntlich hatte ja der Graf 1818 die Sparkasse gegründet und es ist zu vermuten, dass die Summe dann dort mit angelegt wurde.

 

Einmal schreibt der Richter ein Gesuch, ob nicht von dem Gelde ein neues Leichentuch gekauft werden könne, denn das bisherige sei 1813 von den durchziehenden Truppen gestohlen worden und außerdem würde sich die Anschaffung lohnen, weil es im Dorfe gerade viele alte und lebensmüde Leute gäbe...

 

Da dieser Wunsch „gemeinnützig" war, durfte ein billiges Tuch angeschafft werden, das andere Geld blieb stehen. Und wie es so ist in der Geschichte, irgendwann ist durch einen bestimmten Anlass eine Sache so weit gereift, dass sie begonnen werden kann.

 

Stenz im Jahr 1826

So auch in Stenz im Jahre 1826 – 20 Jahre später!

 

Armenhaus SchlafzimmerIrgendwo im „Preußschen" war eine alleinstehende Frau total verarmt, sie hatte nichts mehr. Und nach der damaligen Gewohnheit war in so einem Fall immer die Heimatgemeinde für die Mittellosen zuständig. Sie wurde „abgeschoben" und kam in ihren Geburtsort Stenz.

 

Hierher, wo die meisten selber arm waren.

 

Aber so hart es auch war, es galten die Gebote der christlichen Nächstenliebe. Nun war der Anlass da, das ruhende Geld zu verwenden und die Gemeinde Stenz beschloss, ein „Gemeindehaus" zu bauen!

 

Gemeindehaus bedeutete nichts anderes, als dafür zu sorgen, dass ein Dach geschaffen wurde für Obdachlose.

 

Es gab noch kein Arbeitsamt, kein Sozialamt, kein Wohngeld, Invalidenrente oder Sozialhilfe, es gab aber eine Dorfgemeinschaft, die das tat, was sie konnte.

 

Diese alte Geschichte ist so eine schöne Geschichte, weil sie eigentlich zu Herzen geht. Und auch deshalb, weil ich die Zusammenhänge im Einzelnen fast alle erst in den alten Akten des Archivs vor kurzem entdeckt habe, als wir vom Heimatverein aus schon begonnen hatten, das alte Stenzer Armenhaus vor dem Verfall zu retten. Reichenau, Laußnitz, Königsbrück und viele andere Orte hatten Armenhäuser, keins aber ist im Originalzustand erhalten geblieben.

 

Die Kosten für das Armenhaus

Ein Blick auf die Baurechnung aus dem Jahre 1826, die der Gemeinderichter Johann Gottlob Jacob fein säuberlich aufgeschrieben hat, zeigt uns, was ein Thaler damals wert war:

  • an Meister Johnen bezahlt 3 Th, 18 Gr, 6 Pf
  • 17 Th für Zimmerarbeiten
  • 7 Th 14 Gr dem Häusler Hartmann an Handarbeitslohn und Fuhren
  • für zwey Fenster bezahlt 1 Th 12 Gr
  • 9 Gr für Brandewein und Brot bey Hausheben
  • 16 Gr bringe ich in Anschlag für meine Mühe, schreiben, und Rechnung zu führen wegen diesen Hausbaues und das Richtern Joh. Gttlb. Jacob, Richter

 

Das ganze Haus hat gekostet: 85 Thaler, 26 Groschen!

 

Wer in Stenz noch Hübner, Martha gekannt hat, hat die Urenkeltochter vom damaligen Richter Jacob noch gekannt. Wenn vom „Meister Johnen" die Rede ist, dann ist es der damals noch sehr junge Zimmermeister, aus Gräfenhain stammend, der das Armenhaus wohl als eine der ersten Arbeiten gebaut haben muss und dem wohl schon damals die Tochter des Richters gefallen hat, denn einige Jahre später heiratet er sie.

 

Und wenn wir vom Häusler Hartmann lesen, und erfahren, dass er gerade in der Zeit, als er am Armenhause mit gebaut hat, Vater einer Tochter wurde, die auf die Namen Amalie Auguste getauft wurde, können wir auch erfahren, dass das die Urgroßmutter von Martin Höntsch gewesen ist, der noch heute im Grundstück seiner Vorfahren wohnt. Alles nachzulesen im Kirchenbuche!

 

Ein Zeugnis alter Dorfgeschichte

Und so ist Geschichte nie losgelöst, sondern höchst interessant. Es bedarf nur ein klein wenig Interesse und Spürsinn und ein Rad der großen Zeitenuhr greift sichtbar ins andere und zeigt uns den Weg bis hin in unsere Tage.

 

Und wenn das Zeugnis alter Dorfgeschichte nun, nachdem es schon vor hundert Jahren zum Spritzenhaus gemacht wurde und bald eingefallen wäre, wieder im Originalzustand hergerichtet ist, soll es auch künftigen Generationen bezeugen, mit wie wenig der Mensch früher auskommen musste. Gleichzeitig aber Zeugnis, dass sich damals eine Dorfgemeinschaft der Schwächsten und Ärmsten angenommen hat.

 

Der Schlüssel wird vom Heimatverein verwaltet und soll recht oft in Gebrauch genommen werden:

  • für Schulklassen und andere Gruppen zum anschaulichen Unterricht
  • für anspruchslose naturverbundene Wanderer zur Übernachtungsmöglichkeit
  • für gelegentliche Zusammenkünfte des Heimatvereins und
  • als Notquartier für jemanden, der zu Hause rausfliegt!

 

Besichtigungen sind nach Vereinbarung über die Königsbrück-Information 035795 42555 möglich.

 

Freilich – das Wasser für das Armenhaus kann jetzt nicht mehr am Gemeindeborn an der Bullenwiese geholt werden, und der „Abtritt" hinter'm Hause ist wohl auch nicht mehr jedermanns Sache...

 

Aber die Spiegeleier, die im „Krückofen" auf Reisigfeuer gebraten werden können, werden bestimmt schmecken. Wenn's nicht erhalten wird, geht's verloren.

 

Und so möchte ich im Namen des Heimatvereins auch an dieser Stelle allen ganz herzlich danken, die mitgeholfen haben, dieses wichtige Stück Ortsgeschichte zu erhalten.

 

Werner Lindner

 

Hier gibts die Bilder.